Wir dürfen uns nie erlauben, wie auch immer von Gott getrennt zu werden. Gott muss in jeder Lebensäußerung wirken. „Erkenne ihn auf allen deinen Wegen, so wird er deine Pfade ebnen.“ Wenn wir Gott vernachlässigen auf einem unserer Wege, etwa im Körper, dann trennen wir uns in der Annahme von Gott, und diese Annahme bestimmt uns. Gott ist Allgegenwart. Gott bestimmt unser Wesen und unseren Körper, denn es gibt nur einen Körper.
DAS GESCHÄ FTSLEBEN UNTER GÖTTLICHER HERRSCHAFT
Das Gesetz Gottes, welches das Universum lenkt, muss wie unseren Körper auch unsere Geschäfte lenken, sonst gäbe es etwas außerhalb der göttlichen Gesetzmäßigkeit. Solange wir uns klarmachen, dass das Gesetz Gottes das Gesetz unseres Geschäftes ist, wird alles, was irrig und fehlerhaft ist, korrigiert. Jeder ist auf die eine oder andere Art vom Geschäftsleben betroffen, und dem Unendlichen Weg zufolge ist geschäftliche Aktivität dann „richtig“, wenn sie auf der Basis der Goldenen Regel stattfindet. [...]
Dieser Weg eignet sich nicht für Träge und Bequeme, denn wir sehen uns dauernd mit dem Anschein universeller Annahmen konfrontiert, und täglich müssen wir sie als Illusion zurückweisen und mit der Wahrheit ersetzen:
Geist ist mein Gesetz, im Geist finde ich Vollständigkeit. Ich finde meine Ganzheit im göttlichen Geist und die Ganzheit des Geistes bestimmt die Ganzheit meines Körpers und meines Geschäftes.
Menschlich gesehen sind wir Erdenmenschen und bestehen aus universellen Vorstellungen. Seit unserer ersten metaphysischen Erfahrung aber befinden wir uns im Übergang vom Erdenmenschen zu dem Menschen, der sein Sein in Christus hat. In unserer Kindschaft Gottes finden wir unsere Fülle. In unserer Sohnschaft sind wir Erben Gottes. Der Übergang muss jedoch bewusst stattfinden:
Ich erkenne bewusst, dass Ich und der Vater eins sind und dass der Umfang und die Eigenschaften Gottes mein individuelles Sein bestimmen. Bewusst weiß ich, dass mein Gutes im Christus meines Wesens vorhanden ist.
SELBSTAUFGABE
Geistig gesehen leben wir in Gott. Viele von uns haben die unterstützende und erhaltende Macht Gottes erlebt. Durch eine tödliche Krankheit, durch eine Phase der Entbehrung oder durch Beziehungsprobleme kommen wir an einen Punkt im Leben, wo es keine materielle Hilfe mehr gibt. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und haben keine menschlichen Hilfen, keinen menschlichen Ausweg mehr aus unserem Dilemma. Dann sagen wir:
„Gott, du musst übernehmen. Wenn du mich nicht rettest, bin ich verloren.“ Dadurch geschieht eine Art Selbstaufgabe, eine vollständige Erkenntnis, dass wir nichts aus uns selbst tun können und uns in dieser bestimmten Situation nirgendwo hinwenden können. Dann übernimmt ein Etwas, und oftmals findet eine geistige Heilung statt. So entdecken wir, dass Gott tatsächlich zur Verfügung steht.
Diese Selbstaufgabe, damit Gott übernimmt, muss nicht erst am Punkt unserer völligen Verzweiflung geschehen. Wir können jederzeit zustimmen, dass wir aus uns selbst nicht allzu erfolgreich sind im Leben, dass wir menschlich nicht so besonders gut dastehen und weder unser eigentliches Ziel erreichen, noch „den Frieden finden, der das Verstehen übersteigt.“
Wir können uns selbst aufgeben in der Erkenntnis, dass Gott ist, und vor allem, dass Gott allgegenwärtig ist, dass es einen Geist im Menschen gibt, den einen göttlichen Geist, der größer ist als alles in der Welt. Durch kontemplative Meditation können wir uns dahin bringen, wo wir erkennen, dass das Wesen Gottes, welches das Universum in seinen Bahnen erhält, und das Wesen dieses Gesetzes, dieses Seins, dieser Macht – wie auch immer es be-
schaffen sein mag – Geist ist.
JENSEITS VON WORTEN UND GEDANKEN
In unserer Botschaft wurde oft darauf hingewiesen, dass das Gebet eine Haltung und eine Erhebung ist. Nichts wäre nämlich falscher als die Idee, dass Worte und Gedanken nötig sind, um zu Gott zu gehen. Und doch hat es lange gedauert, bis wir gelernt haben, ohne Worte und Gedanken zu beten. Schließlich muss es aber jeder lernen. Sonst können wir Gott nicht wahrhaft erkennen. Auch darin spielt Zeit eine Rolle. Wir hören auf dem Unendlichen Weg immer die Worte Allwissenheit, Allmacht und Allgegenwart. Wahrscheinlich lest ihr in-
zwischen schnell über diese Wörter hinweg, weil ihr denkt, ihr kennt sie. Ihr kennt sie aber eigentlich überhaupt nicht, zumindest nicht ihre innere Bedeutung. Wenn euch die wahre Bedeutung dämmert, könnt ihr die Augen schließen, denn dann begreift ihr diese Wörter wirklich, dann seid ihr empfänglich oder durchlässig für Gott und dann spielt ihr beim Beten genauso wenig eine Rolle, wie eine Glasscheibe für das Licht in einem Raum verantwortlich ist. Die Glasscheibe ist nur ein Durchlass. Nehmt einmal an, wir wären gerade jetzt einer drohenden Gefahr ausgesetzt – sei es eine Epidemie, eine Kriegsdrohung oder irgendeine andere Katastrophe – und wir würden jemanden bitten, für uns zu beten. Würde derjenige wissen, was wir genau brauchen oder wie uns Gott retten könnte? Natürlich nicht. Niemand
könnte wissen, wie Gott uns retten sollte.
Ist euch nicht klar, dass wirksames Gebet darin bestünde, die Augen zu schließen, die Ohren zu öffnen und Gott einzulassen?
Gott würde dann auf seine geheimnisvolle Weise eine Wolke bei Tag und eine Feuersäule bei Nacht erscheinen lassen, das Rote Meer öffnen oder ein unsichtbares Schutzdach über uns errichten. Seht ihr nicht, dass Gebet in seiner höchsten Form nicht möglich ist für jemanden, der das Wesen Gottes nicht kennt und das Verhältnis des Menschen zu Gott nicht versteht? Versteht ihr nicht, dass wir nur dann wirksam beten, wenn wir wissen, dass überall, wo wir sind, Gott ist – sei es auf dem Schlachtfeld oder inmitten von Krankheit? Wir sind eins mit Gott, und wenn wir das Bewusstsein öffnen, kann Gott durchdringen.
Unsere Gebetshaltung muss sein, einen Gott der Allmacht, der Allwissenheit und Allgegenwart zu akzeptieren, und daraufhin still zu sein und auf die Stimme Gottes zu hören. Wir müssen die Stimme Gottes sprechen lassen und danach zuschauen, wie die
Erde des Irrtums schmilzt. Wenn unsere Haltung beim Thema Gebet nicht korrekt ist, schließen wir allerdings die Erfahrung Gottes aus.
Gebet ist auch ein Erhobensein, denn wenn wir bewusst die Hoffnung und die Annahme loslassen können, dass Gott etwas tut, und still genug sind, die Gegenwart und Kraft Gottes fließen zu lassen, sind wir schon in einem hohen Bewusstsein. Gott ist eine Kraft in dem Sinne, dass er sein geistiges Reich trägt und erhält und dass das Reich Gottes zu unserer irdischen Erfahrung wird, sobald wir aufhören, uns zu sorgen. Das Reich Gottes er-
scheint auf Erden, sobald jemand Gott aufgeben und loslassen kann in der Haltung:
Gott hat mich zum Ausdruck gebracht, daher stehe ich in Gottes Verantwortung. In dieser Zusicherung kann ich ruhen, denn in diesem Augenblick erscheint in gewissem Maße für mich das Reich Gottes auf Erden.
Tausend mögen zu meiner Linken fallen und zehntausend zu meiner Rechten, solange ich aber „am geheimen Ort des Allerhöchsten“ verweile, kann sich kein Übel meiner Wohnstatt oder meinem Bewusstsein nähern. Nichts kann mein inneres Wesen berühren, solange ich lebe. Es geschieht weder durch Macht noch durch Gewalt, weder durch Sorge um mein Leben, durch die Bekämpfung von Bösem noch durch die Hoffnung, dass Gott meine Feinde vernichten wird, sondern durch die Gnade Gottes. Ich ruhe in Stille und Vertrauen in der Gewissheit, dass Gott der Schöpfer und Erhalter von allem ist, was existiert.
Diese Haltung und Erhebung im Gebet erfordern vollständige Demut. Da Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken sind, da Gottes Wege nicht unsere Wege sind, wie könnte es da gerechtfertigt sein, unsere Gedanken zu Gott zu senden oder anzunehmen, dass unsere Gedanken bei Gott irgendein Gewicht hätten?
Hat je ein Mensch gelebt, oder lebt jetzt oder wird in Zukunft leben, der die Gedanken und Wege Gottes kennt? Gottes Gedanken können uns nur durch das Lauschen offenbar werden und dann können sie in Handlungen, in Wirkungen übertragen werden.
KRANKHEIT IST NICHT GOTTGEGEBEN
Wenn ihr mit einer Form von Sünde, Krankheit, Mangel oder Beschränkung konfrontiert werdet, muss eure Reaktion lauten: „Das ist eine Erscheinung und ich weiß es. Sie stammt aber nicht von Gott, und auch das weiß ich.“ Mit dieser inneren Versicherung könnt ihr euch freigeben und in inneren Frieden zurückziehen.
Menschlich sind wir darauf geprägt, auf Erscheinungen zu reagieren und sie zu fürchten. Auch auf diesem geistigen Lebensweg, selbst wenn wir uns schon für Fortgeschrittene halten, erschaudern wir gelegentlich, wenn wir uns gewissen Erscheinungen ausgesetzt sehen. Der Meister selbst war schon zu einer spirituellen Leuchte geworden, als er die drei Versuchungen erfuhr.
Vom menschlichen Standpunkt aus ist es natürlich, auf den Anschein zu reagieren, und niemand steht ganz darüber, aber wir sind dabei zu lernen, „nicht nach dem Anschein zu urteilen.“
Wenn die Versuchung kommt, einen Anschein zu fürchten, dann versucht euch nicht durch Erklärungen oder Affirmationen herauszuwinden. Schaut die Erscheinung stattdessen direkt an und gesteht euch ein, dass ihr von einer Erscheinung des fleischlichen Geistes versucht seid. Gott hatte nie einen Feind, weder in Form einer Person noch eines Umstandes – und zu keiner Zeit. Wir glauben vielleicht, wir hätten Feinde, wir fürchten vielleicht die Bilder des fleischlichen Sinnes, aber Gott ist Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit, und daneben gibt es nichts.
Aus diesem Grund ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Gott das Bewusstsein ist, aus dem dieses ganze Universum geformt wurde. Dieses Bewusstsein Gottes, das zu rein ist, das
Böse wahrzunehmen, enthält nichts Selbstzerstörerisches und daher auch nichts, was den Menschen zerstören könnte, denn der Mensch ist die Emanation, die Ausformung des Bewusstseins Gottes.
Wenn ihr in der Erkenntnis Gottes als Bewusstsein lebt, euch bewegt und euer Sein habt, lebt ihr im Himmel. Der Himmel wird eure Erde sein und die Gesetze des Himmels werden als Gesetze eurer Erde wirken. Wenn ihr aber gut und schlecht akzeptiert oder wenn ihr einen Augenblick lang glaubt, dass Gott bestimmte Menschen auserwählt hat, dann habt ihr alles verloren. Ihr müsst erkennen, dass sich hinter dieser Welt der Form ein unsichtbares
Bewusstsein befindet, aus dem alles Existierende gebildet wurde. Gott ist das universelle, göttliche Bewusstsein, und davon kann es keine Ausnahmen geben.
Die Gabe der geistigen Heilung kann verloren gehen, wenn ihr annehmt, dass sie davon abhängt, was jemand tut oder unterlässt. Heilung hängt nicht davon ab, was der Mensch tut. Sie hängt ab vom Gewahrsein oder der Erkenntnis des Menschen über das Wesen Gottes und das Wesen des Irrtums. Sobald ihr meint, dass ein menschlicher Zustand oder Umstand aus irgendeinem Grund verdient, von Gott bestraft zu werden, oder dass er nicht Gott un-
terstellt ist, habt ihr die Gabe der Heilung verloren. Um zu heilen, muss eine Person fähig sein, den Heiligen und den Sünder, den Erleuchteten und den Unwissenden in die Wahrheit zu bringen.
Je größer die Fähigkeit ist, sich in der Zusicherung zu entspannen, dass Gott tatsächlich Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit ist, desto größer wird die Heilungsfähigkeit sein, denn die Haltung und Höhe des Bewusstseins, die den Glauben an zwei Mächte loslässt, ist das, was die Harmonie wiederherstellt.
Ihr könnt genau feststellen, wann ihr nicht betet. Wenn ihr an diese Welt denkt, dann seid ihr nicht im Gebet. Wenn ihr aber alle Sorge um diese Welt fallenlassen könnt und ohne Worte und Gedanken in eurem inneren Bewusstsein wohnt, dann seid ihr im Gebet und in Gemeinschaft mit der Quelle des Seins. So denkt ihr nicht mehr mit eurem Verstand an Gott. So seid ihr gezwungen, eure Götzenbilder aufzugeben, Götzenbilder, die von Men-schen geformt und mit dem Namen Gott versehen wurden.
Bei Jesaja gibt es Stellen, in denen er das Volk ermahnt, sein Vertrauen nicht auf Streitwagen, Pferde und Soldaten zu setzen.
Zweitausendfünfhundert Jahre später vertrauen wir nicht mehr auf diese Dinge, sondern auf Flugzeuge und Bomben. Wir haben also unser Vertrauen nur von einem auf ein anderes Ding übertragen, statt in reinem Vertrauen zu leben. Das reine Vertrauen ist kein Vertrauen auf etwas, es ist keine Furcht vor etwas und keine Freiheit von etwas.
Wenn die Versuchung kommt, an zwei Mächte zu glauben, müsst ihr das Schlechte und das Gute ablehnen, um im Vertrauen zu bleiben.
Es gibt weder gut noch schlecht. Es gibt nur das Ich, das ich bin, ohne Eigenschaften und nur in einer Menge, nämlich der Unendlichkeit. Der Anschein täuscht, ob er nun gut oder schlecht erscheint, denn die einzige Wirklichkeit ist das Ich, das Ich bin.
Das entfernt die Zukunftsform, und wenn ihr weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft lebt, lebt ihr in und als Ich, als das Ich, das Ich bin. indem ihr das Ich in euch erhebt und in diesem Ich lebt, darin ruht und euch entspannt, verweilt ihr in eurem Bewusstsein. Das Wesen des Ichs ist Bewusstsein, und dieses Bewusstsein ist die Substanz jeder Tätigkeit eures Alltags. Es ist Substanz und Tätigkeit eurer Gesundheit, eurer Versorgung und eures Heims. Wenn ihr euch zurücklehnt in eurem Bewusstsein, ohne Worte und Gedanken zu ergreifen, ohne Ängste oder Hoffnungen zu hegen, dann habt ihr Glauben und Vertrauen erreicht, reines Sein, ruhendes Sein.
Joel S. Goldsmith: „Living Now“ (Jetzt leben), Auszüge aus Kapitel 7 und 8
veröffentlicht im Heft EinsSein 04-2022